Inspirierende Artikel von Sacinandana Swami
Zacken dunkelgrau5

Mit neuen Augen zurückblicken

Ein Freund hat mal zu mir gesagt: „Wir gestalten unser Leben, indem wir nach vorne schauen, aber wir verstehen es erst, wenn wir zurückblicken.“ Das stimmt. Wir Menschen leben vorwärts, aber wir verstehen das Leben rückblickend. Es ist immer hilfreich, den Rückspulknopf in unserem Leben zu drücken und noch mal zu schauen, was passiert ist, vor allem, wenn wir dabei die göttliche Hand erkennen können. Bhaktivinoda Thakura war ein so großer Befürworter dieses Prozesses, dass er empfahl, alle vierzehn Tage – immer an Ekadasi – unser Leben zu überprüfen.

Die Frage für einen praktizierenden Devotee lautet: Wie können wir über die Vergangenheit nachdenken und verstehen, dass alles, was geschehen ist, einen Sinn hatte? Wie können wir anerkennen, dass es Krishna ist, der unser Leben aktiv lenkt (und immer gelenkt hat)? Diese neue Sichtweise wird einen theoretischen Glauben in eine praktische Erkenntnis Gottes verwandeln und tiefere Einsichten in unser Leben ermöglichen.

Während einer Gesundheitskur in Südindien hatte ich die Gelegenheit, mich an den bewusstseinserweiternden Gebeten von Königin Kunti zu erfreuen. Wenn sie auf ihr ereignisreiches Leben zurückblickt, das voller intensiver und schwieriger Momente war, beklagt sie sich nicht und gibt dem Herrn keine Schuld. Vielmehr erkennt sie die liebevolle Hand des Herrn in allem.

Königin Kunti beginnt ihre Gebete damit, dass sie anerkennt, wie schwer es ist, Krishna zu verstehen: „Da du jenseits der begrenzten Sinneswahrnehmung bist, bist du der ewig fehlerlose Faktor, der vom Schleier der Maya (täuschende Energie) verhüllt ist.“ Doch sie fasst sich schnell wieder und verbindet sich auf wunderschöne Weise mit dem Herrn, durch einen dreistufigen Prozess, der auch uns anleiten kann, uns dem Herrn zu nähern:

Zuerst sucht Königin Kunti Zuflucht im Chanten von Krishnas göttlichen Namen. So können auch wir uns am besten dem Herrn nähern – indem wir Seine Namen mit Begeisterung singen: govindaya namo namah (Srimad Bhagavatam 1.8.21). Sofortige Verbindung! 


Als Nächstes verneigt sie sich vor Krishnas bezaubernder Schönheit, indem sie über seinen lotusförmigen Nabel, die Lotusblumengirlande, die seine dunkelblaue Gestalt verschönert, seine Blicke, die so erfrischend sind wie eine Lotusblume, und seine Füße, deren Sohlen mit dem Zeichen des Lotus verziert sind, meditiert. Mit anderen Worten, sie meditiert über die fesselnde Schönheit des Herrn. (Srimad Bhagavatam 1.8.22) Wenn wir so meditieren, kommen wir dem Herrn „von Angesicht zu Angesicht“ gegenüber.

Der dritte Schritt von Königin Kunti, sich dem Herrn zu nähern, ist besonders wirksam, um hingebungsvolle Gefühle zu wecken, und dient als Beispiel dafür, „mit neuen Augen zurückzublicken“. Sie erinnert sich daran, dass Krishna inmitten all der Turbulenzen und schmerzhaften Ereignisse in ihrem Leben gegenwärtig war und sie mit seiner Gnade überschüttete. Da sie sich Krishnas liebevoller Gegenwart in diesen Zeiten bewusst ist, ruft sie den nahen, liebevollen und fürsorglichen Gott an – den Einen, der seine Devotees niemals im Stich lässt und immer an ihrer Seite ist. (SB 1.8.23-24)
Königin Kuntis Herangehensweise ist ein schönes Beispiel dafür, wie man zuerst Krishna wahrnimmt (Schritte 1 und 2) und dann, in Schritt 3, mit hingebungsvollen Augen zurückblickt, um die Hand und das Herz des Herrn hinter den Ereignissen des Lebens zu erkennen. Indem wir Krishna als den ultimativen Dirigenten und barmherzigen Führer in die Gleichung einbeziehen, beginnen wir, Antworten zu finden, die sonst außerhalb unserer Verständnissens bleiben würden.
Ein weiteres tolles Beispiel dafür, Krishnas Hand in den verschiedenen Phasen unseres Lebens zu erkennen, finden wir in den Worten eines Devotees, der zwar damals den Plan des Herrn nicht ganz verstehen konnte, aber jetzt im Rückblick seinen Plan klar sieht.

(Tipp: Lies das langsam):

O Herr – o barmherziger Meister. Jetzt verstehe ich, dass dein Herz vor Mitgefühl geschmolzen ist, als du mich in meinen materiellen Illusionen leiden sahst. Deshalb hast du die Gestalt von Sri Guru angenommen und bist gekommen, um mich aus den Fängen des Krokodils der Unwissenheit zu befreien – so wie du Gajendra mit deinem leuchtenden Sudarshana-Diskus aus den tödlichen Fängen des Krokodils befreit hast.

Schon vor langer Zeit hast du geplant, mich zu einem Diener deiner Lotusfüße zu machen. Mit diesem Gedanken hast du mir die Silben des göttlichen Mantras – deine Klangformen – ins Ohr geflüstert und all mein inneres Leid ausgelöscht. Du hast mich weiter gereinigt, indem du mich wiederholt und geduldig dazu gebracht hast, deine heiligen Namen und Eigenschaften zu hören, zu chanten und mich an sie zu erinnern. Du hast mir die Gemeinschaft deiner Devotees geschenkt, die mich gelehrt haben, dir zu dienen. Welche Güte hast du mir erwiesen – aber was habe ich getan, um mich zu revanchieren?
(Umschrieben aus Srila Visvanatha Chakravarti Thakuras Madhurya Kadambini 8.9)

Wir könnten alle ähnliche Gebete schreiben, wenn wir Königin Kuntis dreistufigen Prozess befolgen, uns dem Herrn zu nähern und mit neuen Augen zurückzublicken:

Beginne damit, dich durch Chanten und Meditieren über Seine Schönheit mit dem Herrn zu verbinden.

Stell dir dann Fragen wie: „Wo und wann ist Krishna in meinem Leben aufgetaucht?“ „Welche barmherzigen Vorkehrungen hat Er getroffen – Vorkehrungen, die nur von Ihm kommen konnten?“ „Wann hat Er meinen Glauben gestärkt, mir besondere Einsichten gegeben oder Devotees geschickt, die mir geholfen haben, meine nächsten Schritte zu verstehen?“ „Wann hat Er mir auf andere Weise Seinen Plan oder Seine Gegenwart offenbart?“

Betrachte diese Ereignisse mit neuen Augen, bete um tiefere Einsichten und verweile in dem Verständnis, dass Krishna ein liebender Gott ist, der alles zu deinem Besten arrangiert hat. Achte auf die Wegweiser, die er gesetzt hat und die klare Hinweise darauf geben, wie dein Leben verlaufen soll. Du wirst feststellen, dass die vermeintliche Distanz zwischen dir und dem Herrn verschwindet und du Krishna vor dir, hinter dir, über dir und unter dir erkennen kannst.

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